Warum sich die Führung überhaupt verändert 

Immer, wenn sich Unternehmen verändern, verändert sich nicht nur die Arbeit in ihnen, sondern auch die Führung: Führungsstile, Aufgaben, Menschenbild und Werte sind einem stetigen Wandel unterworfen. Aber warum ist das so?

Das hat vor allem etwas mit den Veränderungen in der Welt zu tun: Unternehmen verändern sich dann, wenn sich etwas um sie herum verändert. Wenn neue Erfindungen gemacht werden, die die Gesellschaft umwälzen, oder große Ereignisse eintreten, hat das immer Einfluss auf die Gesellschaft und damit auch auf die Art und Weise, wie Menschen ihre (Zusammen-)Arbeit organisieren. Das ist, was wir zum Beispiel mit den Schlagworten Arbeit 1.0 bis Arbeit 4.0 beschreiben können: Die Erfindung des elektrischen Stroms veränderte unsere Gesellschaft und die Arbeitswelt nachhaltig, ebenso wie die tayloristische Arbeitsteilung in Fabriken. Beides hatte weitreichende Auswirkungen auf unsere Arbeit. Produktionsprozesse wurden in einzelne kleine Schritte zerhackt, die Arbeit fand nun in Fabriken und nicht mehr am heimischen Lebensort statt. Durch die rasche Verbreitung des elektrischen Stromes konnte anders und schneller produziert werden und auch plötzlich in Schichten und mitten in der Nacht.

Die Corona-Pandemie  als Beschleuniger

Jetzt stehen wir wieder an einer solchen Kreuzung. Die Erfindung des Internet war es, was diese Entwicklung anschob: Das Internet macht möglich, dass wir in vielen Berufen aus aller Welt arbeiten können, ortsflexibel, zeitflexibel, asynchron.

Ein Beschleuniger dieser Entwicklung war ohne Frage die Corona-Pandemie. Von heute auf morgen erledigten Menschen ihre Aufgaben aus dem Home-Office; auch solche, bei denen es immer hieß: „Ganz sicher können ähnliche Jobs mobil erledigt werden – bei uns geht das aber auf keinen Fall!“ Als der äußere Druck groß genug war, zeigte sich dann aber: Es geht ja doch. Irgendwie.

Verschiedene Treiber dieser Entwicklung

Denn natürlich läuft es in vielen Unternehmen auch nach all den Monaten noch immer nicht absolut rund. Solche Veränderungen brauchen Zeit und Aufmerksamkeit. Doch was die Corona-Pandemie sehr gut gezeigt hat, war eben auch dieses: Dass Veränderungen und Entwicklungen auf uns geworfen werden und wir schnell und unerwartet reagieren können müssen.

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Es gibt noch weitere Treiber, die unsere Unternehmen und unsere Zusammenarbeit verändern:

1. Globalisierung
Die Veränderungen, die wir beobachten, sind nicht bezogen auf einzelne Organisationen oder unser Land, sondern sie finden auf der ganzen Welt statt. Das beschleunigt die Entwicklungen zusätzlich. Ein wichtiges Merkmal ist hier, dass es schon lang nicht mehr um den weltweiten Handel von Waren geht, sondern um eine globale Arbeitsteilung.

2. Demografie und Qualifikationsniveau
Ein niedriges Geburtenniveau und eine steigende Lebenserwartung – das sind zwei Gründe dafür, dass Deutschland Bevölkerung immer älter wird. Ende 2020 wird schon ein Fünftel aller Arbeitenden älter als 60 sein! Das hat Auswirkungen auf die Qualifikationen. Zwar steigt das Bildungsniveau im Land – immer mehr Menschen studieren – doch damit ist noch nicht die Passgenauigkeit der Fähigkeiten auf das Arbeitsplatzangebot sichergestellt: Haben die Menschen die Fähigkeiten, die sie für die neuen Aufgaben brauchen? Denn eine große Frage ist noch immer nicht beantwortet: Wie bereiten wir Menschen auf Jobs vor, von denen wir noch nicht einmal wissen, wie sie aussehen werden?

3. Kultur und Werte
Warum gehen wir arbeiten? Was ist uns wichtig bei der Arbeit? Die Antworten auf diese Fragen beantwortet jede Generation anders. Und gerade sind wir wieder in einer mächtigem Umbruchphase. Geht es vor allem darum, von seiner Arbeit leben zu können? Oder geht es darum, Wohlstand anzuhäufen? Oder geht es darum, sich mithilfe seiner Arbeit selbst zu verwirklichen? Die Antworten auf diese Fragen hängen unter anderem von Alter, Berufserfahrung oder Bildungsgrad ab – und eine moderne Arbeitswelt sollte für all diese Bedürfnisse Räume eröffnen.

Wenn wir uns diese Fragenkomplexe anschauen, dass verstehen wir, warum wir Räume und Ressourcen für die Auseinandersetzung mit ihnen in der Arbeitswelt brauchen. Und es gehört zu den edelsten und wichtigsten Aufgaben einer Führungskraft, sich dieser Bedeutung bewusst zu sein und die Reflexion darüber anzuleiten.

Leadership ist kein Management  

Das ist einer der wichtigsten Unterschiede zum Management, dem Vorgänger von Leadership: Management ist tagesaktuelle Arbeit und allenfalls eine strategische Ausrichtung auf die Zukunft. Leadership hingegen ist die Würdigung von Komplexität und das Verstehen, dass Führung in komplexen Umfeldern nur zusammen funktionieren kann und dass Menschen Schutzräume brauchen, um in diese Reflexion hineinzuwachsen.

Und es gibt auch einen Grund dafür, warum genau jetzt die richtige Zeit ist, sich mit diesen Themen in den Unternehmen auseinanderzusetzen: Man hat immer einen Vorteil, wenn man sich kümmert, bevor es zwingend ist – denn dann kann man schneller reagieren, wenn man muss. Denn es ist immer leichter umzusteuern, wenn an schon in Bewegung ist, als sich erst dann in Bewegung zu setzen. Das klingt vielleicht etwas trivial, doch wir konnten das ja auch beobachten, als es darum ging, zu Beginn der Pandemie ins Home-Office zu gehen: Das hat in vielen Unternehmen für Reibungen gesorgt und war für viele mit einer steilen Lernkurve verbunden. Doch die Unternehmen, die schon vorher an dem Thema mobile/remote (Zusammen-)Arbeit gearbeitet haben, konnten sich schneller anpassen und besser auf die veränderten Vorzeichen reagieren. 

Was ist Remote Leadership?

Remote Leadership ist Führung in digitalen Organisationen und damit die Art der Führung, die es braucht, um als Unternehmen in komplexen VUCA-Umfeldern zu navigieren. VUCA beschreibt die Komplexität, Unsicherheit und Mehrdeutigkeit, mit der Unternehmer/innen und Unternehmenslenker/innen umgehen lernen müssen. Denn es heißt zum Beispiel, dass Erfahrungswissen aus der Vergangenheit nicht mehr so einfach in die Zukunft übertragen werden kann. Und es heißt auch, dass Entscheidungen viel komplexer geworden sind und nicht mehr so einfach getroffen werden können. Das kann eine Organisation erstarren lassen und sie behindern – wenn wir nicht lernen, mit dieser gestiegenen Komplexität umzugehen.

Es geht um eine "Change Literacy"

Eine meiner Grundannahmen ist, dass Veränderung und Anpassung nicht in „Projekte“ ausgelagert werden können, sondern dass es um eine „Change Literacy“ geht: Das Verständnis, dass Veränderung in jeder Interaktion, in der Handlung, in jeder Entscheidung im Alltagsgeschäft der Organisation eine Rolle spielt und mitgedacht werden muss. Wie ein Grundton, der sich durch die gesamte Ouvertüre zieht, als Ankerpunkt, um den sich die gesamte musikalische Erzählung dreht und zu dem sie immer wieder zurückkehrt, um sich von dort von Neuem aufzumachen.

Deshalb nimmt besonders die Führungsarbeit einen so wichtigen Raum in Organisationen ein, die sich in der Transformation befinden. Die Führungskraft schafft diese Räume, immer wieder zu dem Grundton zurückzukehren und sich neu an ihm auszurichten. Es ist Aufgabe der Führungskraft, im Alltagsgeschäft die Gesamtheit nicht aus dem Blick zu verlieren und das Alltagsgeschäft mit dieser übergeordneten Vision und diesen übergeordneten Werten zu verheiraten. Um Räume zu schaffen, in denen die Menschen ihre Arbeit bestmöglich erledigen können – heute genauso auch wie morgen und übermorgen.

Aller Technologie zum Trotz: Es geht um menschliche Beziehungen 

Digitale Führung heißt nicht, dass es eine Führung ist, die sich vornehmlich auf Tools stützt oder die hauptsächlich technisch vermittelt abläuft. Bei Führung geht es immer um die Beziehungen von Menschen untereinander, daran ändert sich auch in sich digitalisierenden Umfeldern nichts.

Digitale Führung und Remote bzw. Hybrid Leadership beschreiben vielmehr, wie gute Führung in digitalen Umfeldern aussehen kann und muss, wie Führung sich verändert, wenn wir uns nicht mehr jeden Tag im Büro gegenübersitzen, wenn Menschen in Organisationen zeit- und ortsflexibel arbeiten und dennoch miteinander durch sich immer schneller wandelnde Umfelder navigieren müssen.

Remote Leadership muss einiges leisten 

Remote Leadership ist nicht, zu kontrollieren, dass alle im Home-Office auch brav arbeiten. Remote Leadership heißt: Räume und Zusammenhalt zu schaffen, auch wenn wir zu unterschiedlichen Zeiten an unterschiedlichen Orten arbeiten.

Es gibt verschiedene Dinge, die Remote Leadership leisten muss. Dazu gehört:

1. Die Führungskraft muss dafür sorgen, dass sich die Menschen gesehen und wahrgenommen fühlen. Und das gilt für die Einzelperson genauso wie für das Team als Ganzes. Eine der wichtigsten Aufgaben der Führungskraft ist es, ein Team zu formen und es zusammenzuhalten, auch wenn sich die Menschen nicht täglich physisch am selben Ort treffen. 

2. Die Führungskraft ist ein Hub für Informationen und Kommunikation: Was passiert in der Organisation, was passiert in der Welt, was bedeutet das strategisch für uns, wie reagieren wir darauf und warum? Bei der Führungskraft laufen im Idealfall alle Fäden zusammen. Sie ist informiert und geht transparent damit um.

3. Die Führungskraft ist nah dran an den Kolleg/innen und Prozessen. Sie steht im Zentrum des Geflechtes Team, verknüpft die Menschen miteinander, sorgt für Zusammenhalt und Sichtbarkeit. 

4. Und eine der wahrscheinlich wichtigsten Aufgaben der Führungskraft ist es, ihre Führungsarbeit und die Navigation durch die komplexe VUCA-Welt als Kommunikationsprozess anzuerkennen und ihn immer wieder anzustoßen und am Laufen zu halten. Und Räume für die ebenso wichtige Meta-Kommunikation zu eröffnen: Arbeiten wir richtig miteinander? Habt ihr alle Informationen, die ihr braucht? Fühlt ihr Euch gesehen?

Die größte Herausforderung beim Führen auf Distanz

Die sicherlich wichtigste Aufgabe für eine remote Führungskraft ist es, dafür zu sorgen, dass Menschen in ihrer Zusammenarbeit Zeit und Raum überbrücken können. Wenn die Menschen orts- und zeitflexibel arbeiten, man sich nicht mehr ständig sieht, müssen für viele Dinge, die sonst vermeintlich nebenbei funktionieren, die Rahmenbedingungen geschaffen werden, wie zum Beispiel das Teambuilding oder Informationsweitergabe (ich schreibe vermeintlich, weil das natürlich auch im Büro nicht automatisch passiert, sondern wir auch im Büro bewusst Räume dafür schaffen müssten).

Und das bedeutet für die Führungskraft zuallererst: Herausfinden, was es eigentlich ist, was die Menschen brauchen und wollen. Was ist denn, was wir als Team für unsere Zusammenarbeit brauchen? Welche Bedürfnisse haben wir? Welche Rahmenbedingungen brauchen wir, um unsere Arbeit bestmöglich erledigen zu können? Dafür muss die Führungskraft Antennen entwickeln. Und das heißt: Viele Gespräche führen und sich vor allem als Kommunikator/in denn als bloße/r Manager/in verstehen.

Bloß keine Kosmetik an Prozessen 

Veränderungsprozesse in der Arbeitswelt sind vor allem Kommunikationsprozesse. Es ändern sich zwar auch immer die Rahmenbedingungen, aber erfolgreich sein können solche Prozesse nur dann, wenn eine wichtige Bedingung erfüllt ist: Dass sich die Menschen mitverändern. Eine Organisation verändert sich nur da wirklich, wo sich die Menschen verändern – alles andere ist Kosmetik an Prozessen und Produkten.

Ich bin der Meinung, dass die größte Herausforderung für eine moderne Führungskraft ist, das zu verstehen: Dass sie herausfinden muss, wie sie diese konstante Entwicklung im Team nähren und fördern kann. Nur, wenn es ihr gelingt, diese Erkenntnis konsequent in Handlungen umzusetzen, wird sie in ihrer Arbeit erfolgreich sein.

Und das bedeutet: Nicht nur viel Arbeit mit den Kolleg/innen, sondern auch viel Arbeit an sich selbst. Um herauszufinden, wie der eigene Umgang mit dieser Herausforderung aussehen kann. Was kann ich als Führungskraft tun, um Veränderung zu unterstützen? Um den Menschen Lust auf diese Veränderung zu machen? Was kann ich tun, dass die Menschen im Kopf und im Herzen verstehen, wie wichtig diese Veränderung ist?

Was muss jemand mitbringen, der remote führen will?

Gute Führungsarbeit ist im ersten Schritt immer zuerst Haltungsarbeit und die Auseinandersetzung mit der Frage: Was will ich erreichen mit meiner Führung? Erst im zweiten Schritt geht es um konkrete Tools oder Methoden. Denn die passenden Tools und Methoden folgen im besten Falle aus den persönlichen Antworten auf die erste Frage.

Ich denke, dass eine der wichtigsten Fähigkeiten einer modernen Führungskraft diese Fähigkeit zur Selbstreflexion ist und daraus folgend die strategisch richtige Auswahl der dazu passenden Methoden. 

Auch Selbstreflexion ist aber nichts, was vom Himmel fällt – es ist vollkommen in Ordnung, sich hier Unterstützung und Anleitung zu suchen. Vielleicht bei einem Coach oder einer Berater/in, vielleicht bei einem/r Mentor/in oder auch im persönlichen Netzwerk. Im Idealfall ist es auch Teil der Führungsarbeit mit der/m eigenen Vorgesetzten.

Wichtige Grundlagenarbeit für jede Führungskraft 

Diese Begleitung hat verschiedene Ziele: Zusammen sollten beide zuerst das Menschenbild der Führungskraft erarbeiten und wie sie ihren Kolleg/innen begegnet. Dieses (oftmals) implizite Menschenbild zu explizieren, ist der erste Schritt, um Handlungsentscheidungen bewusster treffen zu können. Auch Wertearbeit ist hier wichtig: Von welchen Werten soll mein Umgang mit meinen Untergebenen geprägt sein? Und an welchen Situationen oder Gegebenheiten können wir das ablesen?

Menschenbild und Wertearbeit – das ist wichtige Grundlagenarbeit für jede Führungskraft. Wenn sie erledigt ist, können konkrete Führungsaufgaben, die Strategie und Formate daraus abgeleitet werden. Diese Reihenfolge ist wichtig: Erst den Boden bereiten und dann auf dieser Grundlage die passenden Ziele und Methoden entwickeln. 

Diese Tools & Methoden sind beim Führen auf Distanz nützlich

Wie sieht diese remote Führung nun ganz praktisch aus? An erster Stelle steht für mich, Räume für Werte- und Haltungsarbeit zu eröffnen. Das ist das allerwichtigste. Denn es ist diese Werte-Arbeit, die Neue Arbeit so grundlegend von allen vorhergehenden Change-Prozessen unterscheidet. Die uns, btw, ermüdet haben und meistens nicht gelungen sind. Die uns nun im Weg stehen, uns auf diesen wichtigen Weg zu machen, weil sie uns an seiner Sinnhaftigkeit zweifeln lassen.

Führung beginnt mit Wertearbeit  

Deshalb brauchen wir diese Werte-Arbeit, die uns ein wichtiges Warum und das Wofür gibt, das wir immer wieder hinterfragen und an dem wir uns immer wieder ausrichten können. Wie ein Nordstern, der uns navigieren hilft, wenn wir die Orientierung in der Komplexität verlieren.

Diese Werte-Arbeit gibt uns Leitplanken, anhand derer wir erwünschtes und unerwünschtes Verhalten unterscheiden können. Welches Verhalten in der Organisation bringt uns unseren Zielen näher? Welches Verhalten, welche Entscheidungen, vielleicht auch: Welche Prozesse hindern uns daran?

Das sind globale Prozesse, die im Team, in der Abteilung, in der gesamten Organisation verfolgt werden müssen.

Führung ist vor allem, Kommunikationsprozesse zu gestalten 

Für die Führungsarbeit heißt das: Jede Führungskraft muss sich die Frage stellen: Was brauche jede/r Einzelne meiner Team-Mitglieder, um seine alltägliche Arbeit bestmöglich zu erfüllen, aber auch: Was braucht jede/r Einzelne, um seinen Platz in diesem übergeordneten Veränderungsprozess einzunehmen?

Was kann und muss ich als Führungskraft tun, um Räume dafür neben dem Tagesgeschäft zu schaffen? Was brauchen meine Mitarbeiter/innen, um zu verstehen, warum das wichtig ist und wie sie ihren Platz finden können?

Das ist kein Hexenwerk und muss auch nicht übermäßig kompliziert gestaltet sein. Wichtig ist, vor allem eines zu verstehen: Diese Transformation ist – aller Technologie zum Trotz – vor allem ein Kommunikationsprozess.

Ich habe drei Tipps dafür, wie Führung als Kommunikationsprozess gestaltet werden kann:

1. Frag Deine Mitarbeiter/innen, was sie brauchen. Erarbeitet im Team miteinander, welche Bedürfnisse existieren und innerhalb welcher Formate ihr ihnen miteinander begegnen könnt.

2. Erstelle eine Art CRM für Dich selbst, ein „Customer“ – in diesem Falle wohl eher „Colleague“ – Relation Management System. Darin notiere fortlaufend, welche Bedürfnisse und Themen die Menschen haben, wann ihr das letzte Mal gesprochen habt und worüber, welche Wünsche oder Bedürfnisse geäußert wurden oder auch, welche Ziele ihr miteinander erreichen wollt. Reviewe das regelmäßig, mache das zu Deinem wertvollsten Tool. Ziel sollte sein, die unternehmerischen Ziele immer wieder mit den persönlichen Zielen, Fähigkeiten und Wünschen abzugleichen und sie im besten Falle übereinanderzulegen.

3. Vereinbart klare Entwicklungsziele und entwickelt Methoden sie zu messen. Wichtig finde ich an dieser Stelle, dass es hier nicht allein um quantitative Messungen geht. Entwickelt auch miteinander, wie ihr Euch Eurer Zusammenarbeit, Euren Erfolgen und den gemeinsamen Zielen qualitativ nähern könnt. Was ebenso wichtig ist: Sich gemeinsam darüber klar zu werden, woran ihr das festmachen könnt. Wenn es das Bedürfnis nach Fortentwicklung gibt – woran erkennt ihr, dass ihr auf dem richtigen Weg seid? Wenn es im Team das Bedürfnis nach mehr Transparenz oder Wertschätzung gibt: An welchem Verhalten macht ihr das fest? Wie verhaltet ihr Euch in ganz konkreten Situationen? Was wollt ihr explizit nicht mehr tun, weil es diesem Wert widerspricht?

Das ist wichtige Meta-Arbeit und die braucht Ressourcen. Bei Ressourcen denken wir meistens an Geld und Budgets. Doch es gibt eine viel wichtigere Ressource in Organisationen: Zeit (und damit auch Kraft). Erarbeitet auch gemeinsam: Was lassen wir explizit los, um Kapazitäten für diese Veränderung zu schaffen?

Kann man lernen, remote zu führen und wenn ja, wie?

Leadership ist Arbeit – das gilt sowohl für die eigene alltägliche Führungsarbeit wie auch für die ebenso wichtige Meta-Arbeit über die eigene Führung, die die Grundlage für Handlungsentscheidungen ist. Das Problem ist aber meistens dieses: Leadership ist viel zu viel Organisation und Management und Alltagsgeschäft. Doch um den eigenen Führungsstil zu entwickeln und immer wieder zu reflektieren, braucht es Zeit und Räume bei der Führungskraft.

Im Alltag ist dafür wenig Platz, weil doch viele Führungskräfte von Meeting zu Meeting hetzen. Und je höher die Menschen in der Hierarchie aufsteigen (und umso teurer dadurch ihre Arbeitszeit wird), umso mehr Zeit verbringen sie – paradoxerweise – in synchronen Meetings. Es sollte also eine der Hauptprioritäten jeder Führungskraft sein, die Zeit in diesen synchronen Meetings zu reduzieren. Und diese Meetingzeit besser für ihre Führungsarbeit und, zum Beispiel, One-on-One-Treffen mit den Kolleg/innen zu verwenden, denn das ist ihre eigentliche Führungsaufgabe.

Ein wichtiger Schritt: Meetings abschaffen 

Es muss also darum gehen, Meetingzeiten zu reduzieren, indem andere Formate gefunden werden, in denen Informationen und Status-Updates ausgetauscht werden oder in denen gemeinsam Ideen entwickelt werden – auch wenn wir das mittlerweile so gewöhnt sind, doch es gibt viele andere Möglichkeiten als das gewohnte Meeting!

Die Führungskraft braucht Freiräume für ihre genuine Führungsarbeit mit den Untergebenen und auch für die Entwicklung des eigenen Führungsverständnisses. Es braucht Ressourcen und Räume, in denen sie mit dem Team erarbeiten kann, was es braucht und wie das umgesetzt werden kann. Die beiden wichtigsten Fragen dafür sind: Was braucht ihr, was wünscht ihr Euch? Und wie kann ich es Euch geben?

Die Führungskraft sollte Formate dafür schaffen, das gemeinsam zu erarbeiten. Es ist vollkommen in Ordnung, das nicht von vornherein zu wissen – und sie sollte auch nicht raten, sondern besser nachfragen. Das verhindert, das wertvolle Ressourcen verschwendet werden.

Verantwortlichkeiten ins Team abgeben

Das bedeutet aber auch: Es müssen Verantwortlichkeiten in das Team abgegeben werden. Wenn sich die Führungskraft aus dem Alltagsgeschäft zurückzieht, darf kein Vakuum entstehen – Entscheidungen müssen weiterhin getroffen werden, Aufgaben und Ziele geplant und strukturiert werden. Es müssen also zwei Dinge gleichzeitig getan werden: Erstens neue Formate neben Meetings entwickelt werden und zweitens Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten neu zugeteilt werden – inklusive der Frage danach, wie Macht ins Team verteilt werden kann und wie gute Entscheidungsfindung aussehen kann.

Wie lange dauert es, bis es funktioniert, ein Team remote zu führen?

Wie lange der Prozess hin zu Remote Leadership dauert, kann man pauschal natürlich nicht sagen. Was man sagen kann: Es ist ein Prozess und der dauert. Dafür muss man sich Zeit nehmen. Es kann Monate oder gar Jahre dauern. Das soll aber nicht entmutigen: Es ist eine spannende Reise mit vielen belohnenden Zwischenstufen. Doch jeder, der verspricht, dass das in ein paar Wochen „eingeführt“ oder „ausgerollt“ ist, unterschätzt die Tiefe dieser Veränderungen: Es sind Menschen, die sich und ihr Verhalten verändern, und das passiert eben nicht von heute auf morgen.

Remote Leadership ist ein iterativer Prozess 

Es ist wichtig, diesen Prozess als Prozess anzuerkennen und ihn entsprechend zu gestalten. Und das heißt: Mit Rückschlägen rechnen und eine Herangehensweise entwickeln, wie diese Rückschläge zu Lerngelegenheiten werden und wie man aus ihnen lernen kann. Und diese Learnings wiederum in der Organisation verankern. Und das kann heißen, diese Learnings miteinander zu erarbeiten und sie zu dokumentieren.

Das zeigt: Remote Leadership ist ein iterativer Lernprozess, über den immer wieder miteinander reflektiert werden muss. 

Too long, didn’t read: Dein 5-Punkte-Plan für Deine remote Führung

1. Entwickele Dein eigenes remotes Führungsverständnis. Hole Dir Unterstützung dafür – in Form eines Coaches oder einer/s Mentor/in, die Dich durch den Prozess begleitet.

2. Eruiere Dein Menschenbild und mache Wertearbeit: Welche Werte sind Dir wichtig? Wie konkret sollen sie sich im Alltag in Deiner Führungsarbeit zeigen?

3. Gute Führung braucht Zeit und Räume. Der erste wichtige Schritt dafür: Reduziere die Meetingzeiten! Remote Work heißt: Asynchron arbeiten von unterschiedlichen Orten und zu unterschiedlichen Zeiten. Das gilt auch für Dich als Führungskraft: Schaufele Dir Zeit frei, die Du für Deine Führungsarbeit nutzen kannst.

4. Frage Deine Untergebenen, was sie brauchen – Du musst nicht raten oder das von vornherein wissen. Entwickelt gemeinsam die Formate dafür.

5. Monitore und analysiere immer wieder Deine Führungsarbeit. Setze Dir Ziele und überprüfe: Habe ich diese Ziele erreicht? Entwickele auch Dein persönliches „Colleague Relation Management“-System, um nicht allein auf Dein Bauchgefühl oder Dein Gedächtnis angewiesen zu sein.

Podcast New Work - so geht Veraenderung Inga Hoeltmann

Die Autorin

Inga Höltmann ist Expertin für die Themen Kulturwandel in Unternehmen, New Work und Digital Leadership. Sie arbeitet mit Menschen in Unternehmen an Veränderungen und unterstützt sie dabei, Neue Arbeit ganz konkret im Arbeitsumfeld zu verankern. Hast Du eine Frage oder einen Kommentar? Hier kannst Du ihr schreiben.

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