Mit dem „Fly yourself“-Programm hat das Zentrum für Lehrer/innenbildung der Uni Köln ein ganz eigenes Modell entwickelt, um seine Mitarbeiter/innen zu begleiten und zu entwickeln. Gefördert werden sollen die Stärken der Menschen – und das beginnt schon im Bewerbungsprozess. 

Wenn wir von innovativer Arbeit sprechen, haben viele Menschen wahrscheinlich zuerst einmal ein Bild im Kopf, das an die Arbeitsbedingungen bei Google erinnert. Google war vermutlich das erste Unternehmen, bei dem eine ungewöhnliche Büroausstattung zum modernen Arbeiten dazugehörte: Bunte Büros, Videokonferenzen in Strandkörben oder Pools, die mit Schaumstoffwürfeln gefüllt waren – solche Bilder, die an eine Mischung aus Management und Disneyland erinnern, gingen um die Welt und wurden zu einem Synonym für modernes Arbeiten. Viele Unternehmen versuchten die Erfolgsstory von Google zu kopieren und richteten Freizeitareale mit Kickertisch ein oder Ruhezonen, die den Mitarbeitenden ein Wohlfühlambiente am Arbeitsplatz versprachen. Doch der Erfolg blieb oft aus und der Kickertisch wurde zum Symbol für falsch verstandene Führung.

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Schulen sind oftmals noch sehr klassisch organisiert – top-down nämlich

Wenn Schulen einen Kickertisch haben, dann wohl nur, damit sich die Schüler/innen in der Pause beschäftigen können – Konzepte modernen Arbeitens sind hier noch gar nicht angekommen. Die Schulen sind eingebunden in ein klassisches Top-down-Prinzip, das weder Eigenverantwortung noch Innovation befördert. Dieses Prinzip fiel dem System Schule dann auch zu Beginn der Corona-Krise auf die Füße. Nur wenige Schulen schafften es, den plötzlichen Shutdown zu meistern und den Unterricht digital aufzusetzen: nämlich die Schulen, in denen die einzelnen Lehrkräfte Handlungsspielraum hatten – befördert und unterstützt von ihren Schulleiter/innen.

Eigenverantwortliches Handeln wird immer wichtiger und dafür ist die Corona-Krise nur das aktuellste und vielleicht eindringlichste Beispiel. Allein durch den Treiber Digitalisierung verändert sich die Welt um uns herum in atemberaubendem Tempo und lässt tradierte Konzepte alt aussehen. Gute Führung muss mehr denn je vorausschauend sein und sich daran orientieren, welche Kompetenzen in 10 oder 20 Jahren benötigt werden. Schon heute zeichnet sich ab, dass nur die Unternehmen längerfristig am Markt bestehen bleiben, deren Führungskräfte nach vorne schauen, ihre Mitarbeitenden auf Veränderungen vorbereiten und sie so unterstützen, dass sie ihre Fähigkeiten bestmöglich einsetzen können.

Doch wie geht das?

In einem solchen Arbeitsprozess werden Führungskräfte zu „Sparring Partners“. Anstatt ihre Mitarbeitenden top-down zu leiten, begleiten sie sie bei der beruflichen Entwicklung. Daraus haben wir im Zentrum für Lehrer/innenbildung (ZfL) der Uni Köln einen ganzen Prozess abgeleitet, der davon ausgeht, dass Menschen dann das Beste (für sich und für die Organisation) zu leisten vermögen, wenn Aspekte wie (Eigen-)Verantwortung, Augenhöhe, Partizipation und Transparenz alltäglich gelebt werden. Diesen stärkenorientierten Personalentwicklungsansatz nennen wir das „Fly-Yourself-Modell“.

Transparenz im Alltag leben

„Fly Yourself“ bedeutet soviel wie „selbst fliegen lernen“. Mitarbeiter/innen werden von Beginn an ermutigt und darin unterstützt, ihre Stärken einzubringen und eigenverantwortlich zu handeln. Der Prozess beginnt mit der Rekrutierung neuer Kolleg/innen und durchläuft den kompletten Arbeitslebenszyklus, der auch den aktiven Kontakt zu Ehemaligen inklusive gemeinsamer Projekte umfasst. Bereits beim Recruiting geht es darum, dass sich beide Seiten füreinander entscheiden. Es wird ein mehrstufiges Assessment-orientiertes Auswahlverfahren durchgeführt, bei dem bewusst nicht nur auf fachliche Kompetenzen geachtet wird.

So sind zum einen Kolleg/innen verschiedener Teams am Recruiting beteiligt, um den Blick auf die Bewerber/innen möglichst weit zu öffnen. Gleichzeitig erhalten die Bewerber/innen einen transparenten Einblick in die Unternehmensphilosophie und die damit verbundenen Erwartungen. Eine Entscheidung für einen neuen Kollegen oder eine neue Kollegin wird somit – wenn man so will – vom ZfL als Ganzes getroffen; aber auch die Bewerber/innen werden darin unterstützt, ihre Entscheidung für das ZfL bewusst zu treffen.

Onboarding mit Patin

Wer dann neu startet, durchläuft einen begleiteten Onboarding-Prozess. Er oder sie bekommt eine Patin bzw. einen Paten an die Hand, eine erfahrene Kollegin oder einen Kollegen, der oder die zum Beispiel für Fragen aller Art zur Verfügung steht, über Prozesse, Informations- und Austauschmöglichkeiten informiert und auch für ein gemeinsames Mittagessen Zeit hat.

Außerdem hat das ZfL eine Knowledge-Base aufgebaut, die alle relevanten Informationen für neue Kolleginnen und Kollegen enthält. Und von Beginn an spielen Feedback-Gespräche ein große Rolle. So haben neue Kolleg/innen bereits im Onboarding-Prozess erste Möglichkeiten zum Feedback. Feedback-Gespräche finden nicht nur zwischen Teamleitung und Mitarbeitenden statt, sondern sind auch auf Peer-Ebene eine wertvolle Hilfe.

Wichtig dabei ist: Ein Feedbackgespräch muss immer konstruktiv sein. Es soll helfen, dass sich eine Person weiterentwickeln kann, dass sie einen anderen Blick auf Dinge angeboten bekommt und dass es anregt, über bestimmte Aspekte anders zu denken. Wir legen viel Wert auf Feedback und halten es für ein entscheidendes Reflexionsinstrument. Deshalb haben wir eine Reihe von Feedbackformaten entwickelt, vom klassischen Mitarbeiter/innengespräch über 360-Grad-Feedbacks bis zum regelmäßigen Austausch unter Führungskräften.

Coaching als zentrales Instrument

Neben Feedback ist Coaching ein weiteres zentrales Instrument, das wir nutzen. Das ZfL verfolgt generell eine coachende (= reflexiv-unterstützende) Grundhaltung. Führung wird verstanden als „servant leadership“, als eine Art umgekehrte Führungspyramide, in der es Aufgabe der Führungskräfte ist auszubalancieren, und Aufgabe der Mitarbeitenden, so eigenverantwortlich wie möglich zu handeln. Führungskräfte sollen in erster Linie ermöglichen, sie sollen den Boden dafür bereiten, dass Mitarbeitende auf Augenhöhe einbezogen sind, eigenverantwortlich handeln, Verantwortung tragen, Innovationen einbringen und sich weiterentwickeln können.

Dabei hat das ZfL auch für Führungskräfte Formate zur Weiterbildung, zum Austausch und zur Selbstreflexion ins Leben gerufen. Neben der Möglichkeit zu (externen) Coachings haben sie zum Beispiel Gelegenheit zum direkten Austausch in einem begleiteten Leitungsteam-Peer-Mentoring und in einem regelmäßigen Leadership Coffee. Führungskräfte und ein Großteil der Mitarbeitenden am ZfL werden außerdem zu „Fachcoaches LehrerInnenbildung“ ausgebildet, damit sichergestellt ist, dass die coachende Grundhaltung innerhalb des ZfL wie in unseren Services (wie z.B. Beratung und Lehre) flächendeckend gelebt werden kann. Für Führungskräfte wie Mitarbeitende hält das ZfL zudem Beratungsmöglichkeiten, Coachings, Mediationen für einzelne, aber auch Teambegleitungsprozesse vor. Hierzu haben wir einen internen professionell ausgebildeten Coach, zwei zertifizierte Mediator/innen und arbeiten mit externen Berater/innen, Trainer/innen und Coaches zusammen.

Austausch über Hierarchiegrenzen hinweg

Der ständige Austausch untereinander begleitet auch die tagtägliche aufgabenorientierte Arbeit am ZfL. Deshalb wird viel Wert auf partizipative Formate gelegt. Teamsitzungen finden im Business-Circle-Format statt. Der Business Circle ermöglicht eine Gesprächskultur, in der Hierarchien in den Hintergrund treten („A Leader In Every Chair“) und jeder gleichberechtigt gehört wird, der etwas beizutragen hat. Austausch im täglichen Arbeiten wird über Teamboards geschaffen und einmal im Jahr gibt es für jedes Team und für das gesamte ZfL einen Teamtag im Open-Space-Format.

Auch das Open-Space-Format, ein Format zur Moderation großer Gruppen, ist darauf ausgelegt, den Austausch aller über Hierarchiegrenzen hinweg zu fördern und stellt sicher, dass die Themen besprochen werden, die in der Gesamtorganisation (und nicht nur unter den Führungskräften) relevant sind. Und weil auch der informelle Austausch neben der eigentlichen Arbeit wichtig ist, haben wir mit dem „Brownbag-Lunch“ eine innovative Mittagspause ins Lebens gerufen, in der man von Kolleg/innen etwas über interessante Themen erfahren kann, die sie neben der Arbeit beschäftigen, von Umweltschutz über Yoga bis zum Genderlead.

Alle sollen eigenverantwortlich handeln können

Genauso wichtig ist der transparente Umgang mit Informationen, denn Partizipation ist ohne Transparenz nicht möglich. Nur wer über wichtige Prozesse und Entscheidungen informiert ist, kann sich sinnvoll einbringen. Die Geschäftsführung des ZfL informiert daher regelmäßig in Townhalls über wichtige Themen und es gibt einen regelmäßigen internen Newsletter. Außerdem wird viel Wert auf Fortbildungen gelegt, um sowohl fachlich als auch in der persönlichen Entwicklung alle beisammen zu halten. Diese werden von den Mitarbeitenden stark nachgefragt.

Alles in allem trägt das „Fly Yourself“-Modell am ZfL dazu bei, dass alle eigenverantwortlich handeln und innovativ sein können. Dinge möglich zu machen und sich dabei durch ständiges Lernen weiterzuentwickeln, sind zum Fingerabdruck des ZfL geworden. Das Fly-Yourself-Modell erleichtert es der Einrichtung, sich auf eine sich ständig verändernde Umwelt und auf neue Anforderungen einzustellen und sie nach Möglichkeit bereits zu antizipieren.

Vorausschauendes, eigenverantwortliches und selbstreflektiertes Denken und Handeln gibt das ZfL auch seinen Lehramtsstudierenden mit auf den Weg. Sie sollen später einmal nach diesem Prinzip an den Schulen denken und handeln können, um die Schulen nach vorne zu bringen.

Mehr Informationen über den stärkenorientierten Ansatz in der Personal- und Organisationsentwicklung des ZfL findet man unter: https://zfl.uni-koeln.de/projekte/personalentwicklung-am-zfl.

Myrle Dziak-Mahler (Bild: Promo)

Myrle Dziak-Mahler (Bild: Promo)

Myrle Dziak-Mahler ist seit zehn Jahren Geschäftsführerin des Zentrums für Lehrer/innenbildung an der Uni Köln, eine 100-köpfige Einrichtung, die sich um die Belange der 14.000 Lehramtsstudent/innen der Kölner Uni kümmert. Für ihre Personal-und Organisationsentwicklung sowie ihr Führungsverständnis wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Weitere Infos unter https://dziak-mahler.com/.

 

 

Mehr zum Fly-Yourself-Modell:

Das Fly-Yourself-Modell (Quelle: Boos/Dziak-Mahler/Hemker 2020)

(Quelle: Boos/Dziak-Mahler/Hemker 2020)

 

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