Viele Berufstätige – besonders Führungskräfte – ignorieren die Warnsignale ihres Körpers: Viele berichten von Schlafproblemen, Erschöpfung, innerer Unruhe. Warum wir diese Signale oft überhören, was das mit unserer Arbeitskultur zu tun hat – und was wir tun können, erzählt Health Coach Laura Schneider.

Zu Dir kommen Menschen, deren Körper nicht mehr so kann, wie er soll – besonders dann, wenn sie beruflich sehr eingebunden sind. Was sind denn diese Signale, auf die Arbeitende achten sollten?
Unser Körper schickt klare Warnsignale, aber oft bemerken wir sie erst, wenn es richtig weh tut. Oft heißt es „Ich bin morgens schon müde, obwohl ich geschlafen habe.“ Oder: „Ich sitze nur am Laptop – und trotzdem fühlt sich mein ganzer Körper an, als hätte ich einen Marathon hinter mir.“

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Auch das Thema Ernährung kommt oft: Sie wird zur Nebensache – gegessen wird, wenn überhaupt, zwischendurch und unter Zeitdruck. Die Wahl fällt dann häufig auf etwas Schnelles, oft nicht besonders nährstoffreich. Und abends ist man dann so platt, dass der Gedanke an Kochen oder Bewegung schon zu viel ist. Das Training wird verschoben, die Sportschuhe bleiben im Flur stehen. Statt echter Pause gibt’s dann Netflix, Handy, Chips – einfach nur noch runterkommen.

Aber das ist keine Erholung. Viele fühlen sich selbst am Wochenende nicht wirklich regeneriert. Der Kopf läuft weiter, der Körper kommt nie richtig zur Ruhe. Und dann kommen die Symptome: Verspannungen, Schlafprobleme, Gereiztheit, Magenbeschwerden – oder einfach dieses dumpfe Gefühl von „Ich kann nicht mehr.“

Sind das Einzelfälle?
Diese körperlichen Warnsignale nehmen spürbar zu. Studien zeigen, dass inzwischen mehr als 75 Prozent der Berufstätigen regelmäßig über Erschöpfung klagen. Gleichzeitig steigen die Ausfalltage durch psychische Belastungen seit Jahren kontinuierlich an – zuletzt auf über 120 Millionen Fehltage pro Jahr allein in Deutschland. Die Gründe liegen oft in einer Kombination aus chronischem Stress, mentaler Überlastung, Schlafmangel und einer Entfremdung vom eigenen Körper. Viele Menschen funktionieren nur noch – statt sich wirklich leistungsfähig, klar und wohl fühlen.

Und warum ist das so?
Die Erwartungen im Job sind schon lange gestiegen, viele Betriebe fordern mehr Flexibilität, mehr Leistung – aber die Pausen, die Entlastung, das Menschliche bleiben oft auf der Strecke. Durch Corona wurde es noch mehr verstärkt: Plötzlich war alles gleichzeitig – Home-Office, Kinderbetreuung, Sorgen um Gesundheit und Job. Die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben sind verschwommen, echte Pausen gab es kaum noch. Viele haben in dieser Zeit einfach nur funktioniert und sind danach nie wieder richtig aus diesem Modus herausgekommen. Heute erleben wir eine Daueranspannung: hohe Erwartungen, wenig Erholung, ständig „on sein“ – beruflich und privat.

Gibt es Menschengruppen, die davon häufiger betroffen sind? Mit wem arbeitest Du?
Meist sind es weibliche Führungskräfte oder Frauen in leitenden Positionen, mit denen ich arbeite, aber auch Menschen mit einem allgemein hohen Leistungspensum – privat als auch beruflich. Neben den häufigsten Symptomen wie dauerhafte Müdigkeit oder Erschöpfung bringen sie auch – und das wird meiner Meinung nach viel zu wenig thematisiert und ernst genommen! – Verzweiflung mit, weil kein Arzt ihnen mehr weiterhelfen will. Es heißt in der Regel „körperlich sei alles in Ordnung“ und auch die Blutwerte seien „im Referenzbereich“. Die Betroffenen werden also mit ihren gesundheitlichen Herausforderungen alleingelassen.

Wie lange zieht sich das schon durch ihr (Arbeits-) Leben?
Das ist unterschiedlich. Manche steuern recht schnell gegen, weil sie die Notwendigkeit rechtzeitig erkennen, andere gehen bis zur vollen Erschöpfung oder alarmierenden Blutwerten, bis sie sich Hilfe suchen. 

Warum fällt es uns denn so schwer, auf unseren Körper und seine Signale zu hören?
Viele haben den Zugang zu ihrem Körper schlicht verlernt – besonders Menschen mit hoher Verantwortung. Führungskräfte sind es gewohnt, zu funktionieren, Ziele zu erreichen und stark zu sein – auch dann, wenn der Körper längst Alarm schlägt. Signale wie ständige Müdigkeit, Konzentrationsprobleme oder häufige Infekte werden ignoriert oder kleingeredet. Dahinter steckt oft der Gedanke: „Ich kann mir das gerade nicht leisten.“ Denn: Verantwortung, Termine, Erwartungsdruck – all das lässt oft keinen Raum für Pause oder Fürsorge.

In der Folge verschieben viele die Grenze, was noch „normal“ ist – bis der Körper sie irgendwann zwingt, hinzuhören. Die Crux: Viele Führungskräfte leiden selbst unter diesen Symptomen, sollen aber gleichzeitig Vorbild für ihr Team sein…

Liegt das an den Menschen oder an den Unternehmen?
Die Verantwortung liegt bei beiden Seiten: Menschen und Unternehmen. Viele Führungskräfte sind leistungsorientiert, diszipliniert – aber oft zu hart zu sich selbst. Erschöpfung wird ignoriert, Pausen vernachlässigt. Gleichzeitig herrscht in vielen Unternehmen eine Kultur, in der Überlastung normal ist. Gesundheit kommt erst aufs Radar, wenn der Körper streikt.

… also sprechen wir eigentlich nicht über Gesundheit, sondern nur über Krankheit?
Ja. Dabei braucht es frühzeitige Prävention und das Schaffen eines Gesundheitsbewusstsein. Führungskräfte haben hier eine Schlüsselrolle: Wer selbst gut für sich sorgt, lebt vor, dass Gesundheit die Grundlage für Leistung ist – nicht ihr Gegenspieler.

Erzähle mir von Deiner Arbeit: Wie gehst Du das Thema an?
Mein Ansatz ist ganzheitlich und basiert auf den konkreten Symptomen und der persönlichen Lebensrealität der jeweiligen Person. Ein zentrales Element dabei sind umfassende Blutanalysen. Sie zeigen sehr genau, wie es um den körperlichen und mentalen Gesundheitszustand steht – lange bevor es zu echten Ausfällen kommt. Auf dieser Grundlage entwickle ich einen maßgeschneiderten Gesundheitsplan: mit gezielten Empfehlungen zu Ernährung, Mikronährstoffversorgung, Schlaf, Bewegung und Stressregulation.

Die Tools, die ich vermittle, lassen sich in den Alltag integrieren – gerade auch in den von Führungskräften mit hohem Anspruch und engem Zeitkorsett. Es geht nicht um „noch etwas Zusätzliches“, sondern darum, Gesundheit wieder als entlastenden und stärkenden Teil des Lebens zu begreifen. Mein Ziel ist, dass die Menschen in ihre Selbstverantwortung kommen, ihre Körpersignale ernst nehmen und damit nicht nur leistungsfähiger werden, sondern sich vor allem grundsätzlich eine hohe Lebensqualität zu bewahren.

Und was ist dann das Ergebnis Deiner Arbeit? Ist der Zustand umkehrbar?
Das Ergebnis meiner Arbeit ist immer individuell, aber häufig fühlen sich meine Klientinnen wieder voller Energie und leistungsfähig – sowohl beruflich als auch privat: Beruflich steigern sie ihre Produktivität und Konzentration und privat haben sie wieder mehr Energie für ihre Familie und Freizeit. Statt abends nur noch erschöpft auf der Couch zu sitzen, können sie sich z.B. wieder sportlich betätigen und sich mit Freunden treffen.

Ein konkretes Beispiel: Eine Klientin, die jahrelang unter Schlafproblemen und einem unausgeglichenen Hormonhaushalt litt, konnte durch gezielte Anpassungen in ihrer Ernährung und Lebensweise ihren Hormonhaushalt wieder ins Gleichgewicht bringen. Sie schlief endlich wieder durch, fühlte sich erfrischt und war tagsüber viel energiegeladener. Auch das Gefühl der ständigen Müdigkeit, das sie vorher begleitete, verschwand nach und nach.

Laura Schneider (Bild Lisa Nöll)

Laura Schneider (Bild: Lisa Nöll)

Laura Schneider ist Health Coach und die Gründerin von “Bodyhormonie Coaching” (Health Coaching: Energie tanken & körperliche Ziele erreichen) und Co-Founder von “The better work institute“. Ihr Fokus liegt auf ganzheitlicher und präventiver Gesundheit, mental und körperlich. Neben 1:1-Coachings gibt sie auch Seminare, Vorträge und Workshops, um so viele Menschen wie möglich in die Eigenverantwortung für ihre Gesundheit und Leistungsfähigkeit zu bekommen. 

Das Interview führte Inga Höltmann.

 

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