Alice Greschkow hat sich die Wahl-Programme der großen Parteien vorgenommen und sie unter dem Blickwinkel der Gestaltung unserer Arbeitswelt analysiert. In Teil 2 schaut sie auf die „roten“ Parteien“: Die Linken und die SPD.

Verstaatlichungswahn oder progressive Zukunftsimpulse? Alice Greschkow analysiert die Wahlprogramme von SPD und Der Linken, welche Visionen sie für unsere Arbeit haben und wie sie sie umsetzen wollen.

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SPD: Respekt und Rechtssicherheit

Den Schwerpunkt des sozialdemokratischen Wahlprogramms bildet Respekt: Menschen in sozialen Berufen und in Minijobs sollen eine bessere Absicherung erhalten – oft durch mehr Geld. Pflegende Angehörige sollen ebenfalls finanziell entlastet werden. Und die Bürgerinnen und Bürger sollen ein „Recht auf Arbeit“ haben. Die Sozialdemokraten bekennen sich nämlich zur Vollbeschäftigung als Vehikel für Wohlstand und soziale Integration. Es findet sich wenig Überraschendes: Viele Verweise auf die Sozialpartner und starke Tarifverträge. Pflege- und Familienzeiten sollen als flexibles Instrument das Arbeitsleben humaner gestalten. Wie bei der Union ist die Idee, Zeit aufzusparen breit ausformuliert.

Wer sich um- oder weiterqualifizieren möchte, soll Unterstützung erhalten. Die Arbeitslosenversicherung soll zu einer Arbeitsversicherung gestaltet werden und mit einer modernisierten Bundesagentur für Arbeit und Qualifizierung Arbeitslosigkeit verhindern, bevor sie entsteht. Die SPD hat in diesem Zusammenhang das Arbeitslosengeld Q wieder hervorgeholt, nachdem Martin Schulz es 2017 als Weiterbildungsgeld vorgeschlagen hatte.

In punkto Home-Office hat die SPD ihre Position noch einmal geschärft und Lehren aus der Pandemie gezogen. Ein Recht auf mobiles Arbeiten mit Anspruch auf 24 mobile Arbeitstage ist im Wahlprogramm verankert, genauso wie ein Recht auf Nichterreichbarkeit. Die Sozialdemokraten lehnen nämlich eine Lockerung der täglichen Höchstarbeitszeit von acht Stunden ab. Das mobile Arbeiten soll auch im ländlichen Raum möglich sein – neue Co-Working-Spaces sollen dafür entstehen. Flexibles Arbeiten soll allerdings nicht mit Überwachung einhergehen, daher fordert die SPD einen Beschäftigtendatenschutz, der sie vor unerwünschten digitalen Analyse- und Tracking-Methoden schützen soll.

Darüber hinaus fordern sie Rechtssicherheit für Arbeit im Home-Office: Die Unfallversicherung soll für Beschäftigte auch beim mobilen Arbeiten greifen und sie sollen ein Recht auf technische Ausstattung erhalten. Für Selbstständige hingegen sollen Schutzlücken geschlossen werden: Der Zugang zur Arbeitslosenversicherung sowie zur Renten- und Krankenversicherung über die Künstlersozialversicherung soll verbessert werden und ein Sicherungsgeld soll bei akuten Einkommensausfällen helfen.

Man merkt, dass die Sozialdemokraten regiert haben: Sie formulieren konkrete Gesetzesvorhaben und keine losen Leitlinien. Allerdings wird auch deutlich, dass sie vieles in der aktuellen Legislaturperiode nicht erreichen konnten. Das Arbeitslosengeld Q, der Beschäftigtendatenschutz und das Recht auf mobiles Arbeiten stammen aus der Wiedervorlagemappe des letzten Wahlkampfes. In den Vorschlägen steckt Musik drin, insbesondere im Vorschlag, die Agentur für Arbeit zu einem Qualifizierungshub umzugestalten. Im Gegensatz zur Union möchte die SPD klare Grenzen für die Beschäftigten erstreiten. Ob diese Grenzen im digitalen Raum noch angemessen sind, wird die Wählerschaft im September entscheiden.

Die Linke: Weniger Arbeitsstunden für alle!

Das Wahlprogramm der Linken liest sich zu großen Strecken wenig überraschend: Der Mindestlohn soll auf 13 Euro steigen, die Tarifbindung soll wieder gestärkt werden, Minijobs sollen in sozialversicherungspflichtige Jobs umgewandelt werden und insgesamt zieht sich das Narrativ der betrieblichen Mitbestimmung und der Aushandlungen durch Betriebsräte durch.

Was sich die Linke für die Zukunft vorstellt, liegt irgendwo zwischen Karl Marx und Frithjof Bergmann. So sieht Die Linke eine Umverteilung der Arbeitszeit vor. Und eine Vier-Tage-Woche mit einer Wochenarbeitszeit von 30 Wochenstunden formuliert sie als positive Vision. Die Mindesturlaubstage sollen von 24 auf 30 Tage angehoben werden. Die Arbeitszeiten sollen zum Leben passen. Darüber hinaus sollen Beschäftigte zwei Mal im Laufe des Erwerbslebens die Möglichkeit eines jeweils einjährigen Sabbaticals haben.

Die Linke möchte ein Recht auf Home-Office verankern – samt Unfall- und Arbeitsschutz und Recht auf Auszeiten. Auch setzt Die Linke auf ein Recht für Weiterbildung: Beschäftigte sollen die Möglichkeit haben, ihre Arbeit zu reduzieren, um sich weiterzubilden. Dafür soll ein staatlicher Weiterbildungsfonds installiert werden.

Und was heißt das?

Naturgemäß legen die Sozialdemokraten und Die Linken ihren Fokus auf den Schutz der Beschäftigten. Sie sehen Missbrauchspotenzial durch Unternehmen – im analogen wie im digitalen Raum. Dagegen möchte man mit Gesetzen vorgehen. Die Linke ist dabei mutiger als die SPD in der Formulierung einer Zukunftsvision. Ihre Vorschläge orientieren sich an einem neuen Verständnis von Arbeit, die lediglich ein Aspekt unter mehreren im Leben sein soll. Die Sozialdemokraten positionieren sich klassischer: Arbeit bewerten sie als Motor der sozialen Mobilität und wer Leistung erbringt, soll auch die Früchte des Erfolges ernten. Die Chancen für die soziale Mobilität sollen fair verteilt sein, Bildung ist ein Schlüsselelement für die SPD.

In dem hypothetischen Szenario eines links geführten Arbeitsministeriums würde die Wirtschaft erst einmal rot sehen – und zwar nicht im positiven Sinn. Viele Unternehmen sehen starkes staatliches Eingreifen und Ziele zur Reduktion der Arbeitszeit als Hemmnis für Produktivität und Innovation. Gleichzeitig wäre aber ein SPD-geführtes Arbeitsministerium nichts Neues und für die Wirtschaft kein Schock: In der Vergangenheit hat die SPD nämlich versucht, starke sozialpolitische Forderungen durchzusetzen, ohne dass das Unternehmertum zu stark gelitten hat. Wie viel die Sozialdemokraten jedoch umsetzen, hängt immer stark von den Koalitionspartnern ab. Gute Ideen allein reichen nicht.

Alice Greschkow (Bild: Promo)

Alice Greschkow (Bild: Promo)

Alice Greschkow ist Politikwissenschaftlerin mit Leidenschaft für New Work. Sie lebt und arbeitet seit 2015 in Berlin und verbindet beruflich politische und wirtschaftliche Themen.

 

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