Mitarbeiterbindung von gestern: Wer vor allem auf ein gutes Gehalt setzt, wird den Mitarbeiter verlieren, wenn ein besseres Angebot kommt. Hier schreibt unsere Gastautorin Britta Redmann, was die neue Arbeitswelt mit dem Wert des Gehalts macht – und worauf Unternehmen stattdessen setzen sollten.

In meinen unterschiedlichen Rollen als beratende Anwältin und als auch als Leiterin Unternehmensentwicklung und Human Resources erlebe ich fast täglich, wie sehr sich Unternehmen anstrengen, neue Mitarbeiter zu gewinnen und diese möglichst lange zu binden. Dabei geht es nicht nur um irgendwelche Mitarbeiter – nein, es sollen die besten Mitarbeiter sein: Mitarbeiter, mit denen Unternehmen die Herausforderung einer globalen und digitalen Zukunft bewältigen.

Und ich bemerke: So wie sich unsere Arbeitswelt weg von stark repetitiven und deswegen wenig attraktiven Aufgaben hin zu kreativen und schöpferischen Gestaltungsaufgaben wandelt, so verliert auch der Ansatz eines rein finanziell geprägten Vergütungssystems seine Wirkung. Wenn eine hohe Vergütung der einzige Grund für Mitarbeiter ist, in einem Unternehmen zu sein und zu bleiben, dann ist ihre Verbundenheit ausschließlich auf finanzielle Motive ausgerichtet. Was bedeutet: Sobald ein anderer Arbeitgeber einen höheren Preis (Gehalt) zahlt, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass der Mitarbeiter wechselt. Geld oder das Gehalt sind also keine wirklich verlässliche Grundlage für eine starke Beziehung und Verbundenheit zum Unternehmen.

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Vielfältige Lösungen für das Thema Vergütung

Aus diesen Gründen, aber auch, weil sich unsere bisher eher tradierten Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen weiterentwickeln und gleichzeitig unterschiedliche individuelle Wünsche und Forderungen bedient werden wollen, bedarf es auch vielfältigerer Lösungen für das Thema Vergütung. Und im Bereich der Neuen Arbeit wird das eingefordert. Wir können nicht über Augenhöhe, Auflösung von Arbeitsorten, flexible Arbeitszeiten, anspruchsvolle Arbeitsaufgaben sprechen und dabei andererseits die Vergütungssysteme so belassen, wie sie klassisch sind. Auch Vergütung muss im Sinne einer Neuen Arbeit „agil“ werden und kann dabei den bisher schon verfügbaren rechtlichen Handlungsspielraum ausschöpfen.

"Vergütungssysteme gestalten: agil, rechtssicher und nicht-monetär" von Britta Redmann (Quelle: Haufe Verlag)

„Vergütungssysteme gestalten: agil, rechtssicher und nicht-monetär“ von Britta Redmann (Quelle: Haufe Verlag)

Zukünftig brauchen Unternehmen verstärkt Systeme, die einerseits die finanziellen und die nicht finanziellen individuellen Bedürfnisse von Mitarbeitern erfüllen und zum anderen natürlich die betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten des Unternehmens berücksichtigen und sichern.
Wenn es gelingt, entsprechende Systeme zu implementieren, dann kann dies wünschenswerte Auswirkungen auf die betriebliche Atmosphäre haben, zumal dann auch regelmäßige Impulse entstehen, die dazu beitragen können, die in Teilen der Mitarbeiterschaft stets vorhandene Unzufriedenheit oder auch Ängste zu reduzieren.

Das alles eröffnet die Chance, nicht nur den Blick auf die „neuen Wünsche“ der Beschäftigten zu erweitern, sondern hier insbesondere auch andere – vor allem nicht-monetäre – Anreize stärker in den Fokus zu bringen, die diesen Wünschen gerecht werden können. Es bedarf daher der richtigen Mischung aus monetären und nicht-monetären Komponenten.

Kenntnis der Wünsche der Mitarbeiter

Diese richtige Mischung exakt zu finden, wird wohl nicht mehr pauschal für jedes Unternehmen gleich zu beantworten sein, sondern vom Mitarbeitertypus und seinen Bedürfnissen abhängen. Für Unternehmen bedeutet dies, wesentlich flexibler zu werden, was ihre Vergütungssystematiken anbelangt. Dabei haben Faktoren, die vor allem keine klassischen Gehaltsbestandteile sind, gegenwärtig einen enormen Einfluss auf die Entscheidung von Arbeitnehmern, zu welchem Arbeitgeber sie gehen bzw. bei welchem sie auch bleiben wollen. Insofern bieten sich hier für Unternehmen gerade jetzt neue Chancen, Mitarbeitern Vorteile zu gewähren – also eine Art Währung – die auf die Organisationsgestaltung, bestimmte Arbeitsweisen und besondere Formen der Zusammenarbeit genauso wie auch kulturelle Faktoren zurückzuführen sind. Das können agiles Arbeiten, mobiles Arbeiten, Innovationslabs, selbstorganisierte Teams, #NewPay, flexible Arbeitszeiten genau so wie Arbeitszeitautonomie sein. Es handelt sich also um Vorteile, die man sich mit Geld nicht kaufen kann, die aber dafür entscheidend sein können, ob sich ein Mitarbeiter im Unternehmen wohl fühlt.

Wollen Unternehmen also zukunftsfähig werden oder bleiben, setzt dies eine genaue Kenntnis der Wünsche und Ansprüche der Mitarbeiter voraus, um diese für sich zu überzeugen und nachhaltig zu gewinnen. Und nicht nur das: die Diversität der Bedürfnisse nimmt auf beiden Seiten zu und geht weit über nur eine unterschiedliche Interessenlage zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern hinaus. Es wird daher nicht (mehr) die eine richtige Lösung geben sondern vielmehr bedarf es diverser Vergütungsangebote, die hier den vielfältigen unterschiedlichen Begehren und Ansprüchen gerecht werden.

Britta Redmann (Bild: Promo)

Britta Redmann (Bild: Promo)

Britta Redmann ist als „agile“ Anwältin mit dem Schwerpunkt Arbeitsrecht und als Mediatorin und Coach selbständig tätig. Beim Softwarehersteller VEDA verantwortet sie das Corporate Development und den HR-Bereich. Sie ist Autorin verschiedener Fachbücher. Ihre besondere Expertise liegt auf der Entwicklung von Organisationen bis hin zu agilen und vernetzten Formen der Zusammenarbeit. Moderne Konzepte, wie z.B. zu Agilität, NewWork und Digitalisierung, werden von ihr arbeitsrechtlich transformiert und organisatorisch implementiert. Der rechtliche Rahmen wird von ihr immer auch unter Einbezug der Kultur eines Unternehmens betrachtet. 

Britta Redmann: Vergütungssysteme gestalten: agil, rechtssicher und nicht-monetär – Unternehmen stärken und Mitarbeiter binden